Ruhland | Erstfassung 8.11.2018 UPDATE 4.6.2021 / 10.7.2022 / 5.6.2023


Urlaubssperre: Nichts mehr zu essen!

Das Aus für die Sommerfrische (heute: Fremdenverkehr) kam in manchen Gemeinden schon ab 1917, da die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln - selbst der Einheimischen - nicht mehr sicherzustellen war. In manchen Gemeinden wurde die Sommerfrische bis ins Jahr 1922 ausgesetzt.


verkündete 1918 die Gemeinde Kopfing mit einer entsprechende Anzeige im "Linzer Volksblatt" . Übrigens: Nicht nur in Kopfing, auch in ganz Oberösterreich wurden wegen der Armut Fremdenverkehr und Sommerfrische von Amts wegen verboten.  (Erstfassung: 11/2018

Wegen Versorgungsproblemen verbot das Land OÖ in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg den "Sommerverkehr".

Die Gemeinde Kopfing zog am 28. 6. 1919 nach - eine Anzeige im "Linzer Volksblatt" machte bekannt: Die "Sommerfrische" in Kopfing wird  heuer abgeschafft.

 Neben den vielen "Hamsterern" (oft aus den Ballungsgebieten) waren nun auch die Sommerfrischler nicht mehr wollkommen: "Der Fremde war vom Gast zum Feind geworden". Der rasante Wertverlust der Krone und die einsetzende Hyperinflation zwischen 1918 und 1922 hatten die Fremdenfeindlichkeit angeheizt.  (Sandgruber, OÖN v. 10.11.2018 und v. 9.7.2022).

Auch in den ersten Jahren nach dem Ende des 1. Weltkrieges fehlte es den Menschen an Geld, Arbeit und Lebensmitteln. Die gezahlten Löhne reichten nicht zur Ernährung einer Familie. Schleichhandel und Preistreiberei waren die Folge.  

Erst der Mai 1921 brachte Erleichterungen: Weißgebäck, Obst und Gemüse durften wieder verkauft werden. Im Juli wurden die fleischlosen Tage (SO, MI, FR) abgeschafft, die schon 1916 zur Versorgung der Armee eingeführt worden waren. Im Oktober wurde der Kartoffelhandel erlaubt. In den Städten gab es in diesen Jahren Demonstrationen der Arbeiter und Arbeitslosen, die auch besseres Brot sowie Fleisch und Milch zu erschwinglichen Preisen forderten ...

Das Geld verlor über Nacht an Wert: 1923 kostete ein Quadratmeter Baugrund in Kopfing 10.000 Kronen, einige Monate später musste man für eine Schreibmaschine 5 Millionen Kronen auslegen. Der Verfall der Krone war auch der Grund dafür, dass führten immer mehr Gemeinden ab 1920 ein eigenes Notgeld ein...

Erst die Einführung der neuen Schilling-Währung am 20. 12. 1924 setzte dieser wirtschaftlichen Abwärtsspirale ein Ende.


Auf Sommerfrische in Kopfing.

Die Wiener Familie Helene und Richard Rausch (Foto unten links aus dem Jahr 1931) verbrachte seit 1922 den Sommer in Kopfing (Wirt in Kopfingdorf, Lichthäusl) und machte sich in den frühen 1930er-Jahren in der "Rausch-Villa" ansäßig. (Vgl. dazu den historischen Abriss "Im Licht").

Seit 1934 kam der Dentist Franz Hort samt Familie aus Wien (Foto unten rechts aus dem Jahr 1959 mit Gattin Anna) den Sommer über nach Kopfing, 1946 ermöglichte ihm der persönliche Einsatz des damaligen Gemeindearztes Dr. Rudolf Weißensteiner den Aufbau einer eigenen Zahnarztpraxis in Kopfing. 


Der untenstehende Zeitungsartikel (1920) lässt sich aufgeklappt gut lesen.

Worum geht es in dieser Beschreibung, die mit Innviertel überschrieben ist und von Kopfing handelt?

Im Mittelpunkt stehen der Kirchenwirt, im Gendarmerieposten der Kaserne eingerichtete Nächtigungsmöglichkeiten, die Auerhahnjagd, schließlich ein sächsischer Jagdgast, dem die Gendarmen Platz machen müssen - und zuletzt um den frommen Wunsch, dass sich die Schieber zukünftig wieder mit dem Kegeln begnügen wollten ....


Schon um die Jahrhundertwende und nach dem 1. Weltkrieg wurde Kopfing als Wanderparadies geschätzt!

Dieses Dorf thront stolz und frei hoch über dem Innviertel, als ob es seine Metropole wäre. Von der Bahn geht man gut drei Stunden herauf. Selten kommt einem ein Mensch entgegen. Aber am Wiesenrand steht eine Tafel, von ungelenker Bauernhand gemalt: 
Nur ein Rindvieh geht ins Gras!

Dann grüßt der Kirchturm in Kopfing von grüner Höhe ins Land herab...

Text nach: Neues Wiener Tagblatt, 21.8.1920 (S. 2f); Foto-Repro: Josef Ruhland (Kopfing im Jahr 1920)

Mit Juni 1933 machte das nationalsozialistisch regierte Deutsche Reich dem Fremdenverkehr in Kopfing [und ganz Österreich] für 3 Jahre ein Ende: Jeder Urlaubsgast aus Deutschland musste 1.000 Reichsmark pro Aufenthalt in Österreich zahlen!

Das war damals das Dreifache eines durchschnittlichen Monatsgehalts - damit wurde ein Urlaub in Österreich für den Durchschnittsbürger unerschwinglich. Dazu kamen negative Parolen wie: "Ein anständiger Deutscher fährt nicht nach Österreich." 

Zweck war die Destabilisierung der damaligen christlich-sozialen Regierung von Engelbert Dollfuss. Prügelaktionen österreichischer illegaler Nazis richteten sich vor allem gegen etwa im Salzkammergut urlaubende Sommergäste jüdischer Abstammung ...

Quelle: OÖNAchtrichten, 5.6.2023 (Josef Achleitner: "Ein anständiger Deutscher fährt nicht nach Österreich")