Ruhland | Erstfassung 4.4.2015 UPDATE 30.6.2019 / 2.7.2023


Leben auf dem Bauernhof

Manche Bauernhöfe werden nicht mehr bewirtschaftet. Fast alle bäuerlichen Nebengebäude sind verschwunden. Franziska Körner hat diesen ein mundartliches Denkmal gesetzt. Der Modernisierungsschub in der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg wird gezeigt am Beispiel "Ertl-Hof" in Kimleinsdorf.

In den ausgehenden 50er-Jahren zeigten sich erste große Veränderungen in der Landwirtschaft. Das Aussehen der Höfe (Stallungen, Stadel) und auch das Leben auf dem Bauernhof (Knechte und Dirn') veränderten sich.

Aus der nicht mehr benötigten Bauernstube wurde das Wohnzimmer und viele Nebengebäude in der Hofstatt und nahe dem Hof verschwanden: Abort samt Jauchegrube und Misthaufen, Brechelstube und Backofen, Troadkasten, Hausschmiede und Stampf, Obstpressen - aus dem Bauern "alter Prägung" ist der spezialisierte und gut ausgebildete Landwirt geworden.


Wunderschön bemalte Dachuntersicht - Hötzeneder, Wollmannsdorf 1 (Foto: Ruhland)
Wunderschön bemalte Dachuntersicht - Hötzeneder, Wollmannsdorf 1 (Foto: Ruhland)

Bäuerliche Nebengebäude und andere stumme Zeugen rund um Höfe (Mundartgedichte: Franziska Körner) 

 Vül Alts is verganga

Wasd' guat kennst, das wirst ah gern habm,

drum les da a wengerl na(ch),

obsd' ebbs findst, wasd' nuh net gwisst hast;

steht va ehnder etligs da.


"Haidinger Backofen" (Plöckinger, Neukirchendorf 16) | Maßstabsgetreuer, verkleinerter Nachbau im Kulturpark Kopfing (Foto Ruhland)
"Haidinger Backofen" (Plöckinger, Neukirchendorf 16) | Maßstabsgetreuer, verkleinerter Nachbau im Kulturpark Kopfing (Foto Ruhland)

Bachöfn

Ma hört alte Leut oft nuh gern davaon re(d)n:

Es san af je(d)n Bau(r)nhof vül Deanstbotn gwen;

afs Broatbacha habm sa sih allweil recht gfreut,

denn 's frische Braot schmeckt bsunderss guat alle Leut:

an Graoßknecht, an Stallbuam, an Kucherl, der Dirn

und rüstige Auszügler, de sih fest rührn,

der Bau(r)nleut, de Kin(d)er - und oft bettlt gwiss

a "Fechter", der eh allweil hungeri ist.          ...

Es zahlt si ah 's Braotbacka nimma recht aus,

der "Gäubäcker" bringt's je(d)n Tag eh frisch ins Haus.


"Hafeneder Troadkastn" - von Glatzing nach Rasdorf "überdiedelt" von Dr. Viktor Kesztele. (Foto Ruhland).
"Hafeneder Troadkastn" - von Glatzing nach Rasdorf "überdiedelt" von Dr. Viktor Kesztele. (Foto Ruhland).

Der Troadkastn

Gibt netta oan' Troadkastn nuh in der Gmoan,

steht z'Rasdorf in Kirawirtsholz drinn alloan.

Er hat amal zan Hafenederguat ghört,

is aft nimma braucht wor(d)n, neamd hat sih drum gschert.

Zan Glück hat der Troadkastn aber wen gfalln,

der hat'n neu afgricht''t, drum is er erhal'(t)n.

Fürn ursprüngligm Zweck wird er iatzt nimma gnützt;

als Fischerstubn is er vaorn Zsammbrecha gschützt.


"Braumandlstampf" -  in Hub 7, instandgesetzt vom ÖAAB Kopfing um 1990 (Foto: Ruhland, 2004)
"Braumandlstampf" - in Hub 7, instandgesetzt vom ÖAAB Kopfing um 1990 (Foto: Ruhland, 2004)

Der Braumandlstampf

Ehnder hat's frei an je(d)n Bacherl

Brein- oder Habernstámpf gebm;

d'Leut habm für eahn und für d'Viecher

asotwendi 's Troad braucht zan Lebm.

 

Oan' davaon habm wieder afgricht't

hoamtverbundane Leut;

suachat ma wo nuh an zweitn -

is koaner z'sehgn weit und breit.

Das Innere des "Braumandlstampf" (Foto: Ruhland, 2004). Ein seltener "Stampfstein" aus Granit ist im Kulturpark Kopfing zu sehen.
Das Innere des "Braumandlstampf" (Foto: Ruhland, 2004). Ein seltener "Stampfstein" aus Granit ist im Kulturpark Kopfing zu sehen.

Geht ma va Engertsber weider,

allweil tala'(b) und in d'Lahn,

muaß ma vao(r)n Braumandl a(b)biagn,

sih a weng wisterhá drahn.

 

Wird wohl net wirklih nuh braucht wer(d)n,

aber er stampft und er mahnt:

Schauts enk af d'Sach va de Áhnln!

Suachts - und ös findts allerhand.

 

Die "hoamatverbundenen Leut" kamen vom ÖAAB Kopfing: Sie bauten 1989 den Wasserkanal und die Stampfhütte wieder auf (Hauer Hermann, Kreuzer Herbert, Penzinger Franz, Zagitzer Johann), der "Nagl Hansl" (Zahlberger) hatte als Zimmermann die Herstellung des Wasserrades und des Grindls übernommen.



Gadersäuln an der Grenze zum herrschaftlichen Wald (Foto: Ruhland).
Gadersäuln an der Grenze zum herrschaftlichen Wald (Foto: Ruhland).

Gadersäuln         (Auswahl)

 

A viereckerts Lo(ch)

hat ma gmoassllt in'n Stoa,

des is allweil braucht waor(d)n

zan Stangduritoa.

 

Es solln d'Säulna stehnbleibbm

als stoanerne Zeugn;

sie irrn neamd ban Ackern

und ah net ban Heugn.

 

Die ältesten Gattersäulen stammen aus der Rodungszeit; das Vieh wurde damals - vor rund 1.000 Jahren - in oft in Gemeinschaftsbesitz befindliche Wälder getrieben. Die Gatter waren der Zugang, Steinzeilen grenzten oft die Weiden ein.

Die meist an Waldrändern stehenden Säulen "irrten", sobald Waldstücke gerodet wurden und sie auf freien Wiesen- und Ackerflächen zu stehen kamen ...

HINWEISE:

1) Wolfgang Danninger stellte eine umfangreiche Dokumentation ins Austria-Forum: 

https://austria-forum.org/af/Community/Alles_%C3%BCber_%C3%96sterreich/Gatters%C3%A4ulen_im_Sauwald

2) Im Kulturpark Kopfing ist eine Gattersäule aus Voglgrub (Leihgabe: Johann Klaffenböck) zu sehen


Weitere Beispiele für die

Handwerkskunst der Steinhauer und Steinmetze vor 100 Jahren

Grander (1714) im Hof beim Karinger z'Straß

(Foto: Ruhland, 2015)

Plankensteine (vor 1900) im Karinger-Ochsenstall

(Foto: Groisshammer, 2006)

Obstpresse (vor 1930) beim Moritz in Bartenberg

(Foto: Ruhland, 1975)



Bauspruch nach Stadlbau 1952 beim Ludwig z' Grub in Entholz 7 (Foto: Ruhland)
Bauspruch nach Stadlbau 1952 beim Ludwig z' Grub in Entholz 7 (Foto: Ruhland)
Foto: Josef Ertl; Berbeitung: Ruhland
Foto: Josef Ertl; Berbeitung: Ruhland

Einer der letzten neuen Stadl, die in Kopfing gebaut wurden:

 

1953 waren beim Stellen des Stadls an die 100 Helfer beteiligt (von Zimmerleuten, Zuträgern und aufkochenden Frauen).

 

Foto: Josef Ertl; Bearbeitung: Ruhland
Foto: Josef Ertl; Bearbeitung: Ruhland

Der Abschluss des Stellens war eine Auslösefeier für den gestohlenen Firstbaum. und nach Eindeckung des Stadls wurde vor Ort noch einmal gefeiert.

Der damalige Lehrer Otto Straßl unterhielt die Leute mit lustigen Mundartgedichten zur "Baugeschichte"...


Von links: Maria Moritz beim Pflügen (Bartenberg ca. 1965), Josef Ertl mit 2 Rössern (1946), Heinrich Hainz beim Eggen mit Ochsen vor Kimleinsdorf (1943).
Von links: Maria Moritz beim Pflügen (Bartenberg ca. 1965), Josef Ertl mit 2 Rössern (1946), Heinrich Hainz beim Eggen mit Ochsen vor Kimleinsdorf (1943).

Das Leben auf dem Hof vor 60 Jahren...

 

Zahlen zu den Jahren um 1960, als Paula Ertl Bäuerin in Kimleinsdorf wurde:

Mehr als 1.500 Schweine wurden gefüttert, jedes Jahr gab es um die 700 Hausschlachtungen, - und fast 6.000 Hühner bevölkerten die Bauernhöfe...

Es gab noch in jedem Dorf Vollerwerbshöfe, 1958 standen 126 Pferde und fast 30 Ochsen in den Ställen.

Das sollte sich rasch ändern: Die Anzahl der Traktoren stieg von 27 (1957) auf 145 (1964) - schon 1965 vermerkt die Statistik nur mehr 49 Pferde und 20 Ochsen.

Links Josef Ertl auf dem Heuwender (1947), rechts Matthias Ertl auf dem ersten selbstfahrenden Mähdrescher (1961) auf dem Weg zur Fahrzeugsegnung.
Links Josef Ertl auf dem Heuwender (1947), rechts Matthias Ertl auf dem ersten selbstfahrenden Mähdrescher (1961) auf dem Weg zur Fahrzeugsegnung.

Mechanisierung und Technisierung kennzeichnen seit den 50er-Jahren die Landwirtschaft: 1964 führt die Statistik noch keinen einzigen Ladewagen an, 10 Jahre später gab es schon mehr als hundert. Auch die ersten 4 Selbstfahrmähdrescher in der Gemeinde werden 1964 erwähnt. Wie viele der ersten teuren landwirtschaftlichen Geräte gehörte auch der Mähdrescher Josef und Matthias Ertl als Gemeinschaftseigentum.

Abhilfe schufen in den beginnenden 1970er-Jahren die Maschinenringe.


Die Zeit, als Paula Ertl Bäuerin auf dem Ertl-Hof in Kimleinsdorf wurde ...

Maria Moritz mit Schwester Stephanie (1978) beim Kühfutter-Mähen ... (Foto: Ruhland)
Maria Moritz mit Schwester Stephanie (1978) beim Kühfutter-Mähen ... (Foto: Ruhland)

Als Paula Ertl in den beginnenden 60er-Jahren auf den Ertl-Hof in Kimleinsdorf heiratete, beschäftigte sie sich mit der Rolle der Bäuerin.

Als Landwirtschaftslehrerin und durch ihre Abstammung von einem großen Bauernhof war sie mit der Landwirtschaft vertraut und stellte das Leitbild einer Bäuerin (Die Wende, 19. Jahr, 1964) vor. 

Dieses Leitbild (unten) ist heute Dokument einer Dokument einer längst vergangen Zeit...

ZEITDOKUMENT: PAULA ERTL zeichnet das IDEALBILD EINER BÄUERIN 1960:
So stelle ich mir eine Bäuerin vor. (Wende-Artikel, gekürzt):

Die Bäuerin ist oft die beste Kraft auf dem Hof - aber ihr wesentlicher Auftrag ist: Gattin und Mutter zu sein und dem Mann treu zur Seite zu stehen, auch wenn es schwere Zeiten gibt.

Die Bäuerin braucht ein umfangreiches Wissen: nicht nur in der Hauswirtschaft, beim Kochen, Nähen, der Kranken- und Säuglingspflege, sondern auch im Stall und in der Außenwirtschaft. Dazu muss sie allen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen sein (Fachzeitschriften, Vorträge, Kurse).

Die wichtigste Aufgabe der Bäuerin aber bleibt die Erziehung der Kinder. "Wenn das Kinderlachen aufhört und keine Kinderhände sich mehr an den Rockzipfel der Bäuerin klammern, so ist es, als ob die Sonne unterginge. Die Sonne, die die Familie zusammenhält."

Die Bäuerin ist auch Trägerin der Kulturgüter. Damit meine ich nicht das krampfhafte Hängenbleiben am Althergebrachten, sondern: das Brauchtum pflegen und weitergeben, die Familienfeste sinnvoll gestalten und feiern. Dazu braucht sie eine echte religiöse Einstellung, denn von ihr werden Heim und die ihr anvertrauten Menschen geprägt.

Auch die Kleidung einer Bäuerin soll nicht aus Großmutters Mottenkiste stammen, sondern praktisch, geschmackvoll und modern sein... - nur etwas darf sie nicht: den Charakter der Bäuerin verlieren. Das bezieht sich auch auf Frisur und gute Umgangsformen.

Ja, so stelle ich mir eine Bäuerin vor: beratend und helfend an der Seite ihres Mannes, bereit zu Opfern, religiös, aufgeschlossen und vor allem bereit zu Kindern. Eine Frau, die für Sorgen und Anliegen der Familie und der am Hofe lebenden Menschen jederzeit ein offenes Ohr und ein gutes Wort hat. 



QUELLEN: Franziska Körner beschrieb in ihren Mundartgedichten das bäuerliche Arbeitsumfeld samt den notwendigen Nebengebäuden. Paula Ertl erlebte die großen Veränderungen in der Landwirtschaft nach dem Krieg; Ruhland, Fotoarchiv.