Ruhland | Erstfassung: 20.10.2016 UPDATE 13.3.2022 | 13.3.2024


Moritat D' Föhratpoint


Das in der überlieferten Moritat angegebene Jahr 1902 kann nicht stimmen; in der Chronik des Gendarmeriepostens in Kopfing (seit 1897) gibt es keinen Hinweis auf dieses Verbrechen. Zeitungsberichte und das Sterbebuch der Pfarre Kopfing führen diese Bluttat im Jahr 1884 an.

Eine Moritat will informieren und zugleich unterhalten. Der brutale Raubmord ist ebenso zu belegen wie die Verdächtigung des unschuldigen Nachbarn. Was bleibt ist die Aussage: Da ist in Kopfing ein abscheuliches Verbrechen passiert;  seit 70 Jahren gab es so etwas nicht mehr …
QUELLEN: Johann Schmidbauer / Franziska Körner.


Als erstes Blutverbrechen erwähnt die Chronik der Gendarmerie im Sommer 1919 einen Raubmord in Entholz, bei dem der 76-jährige Hausbesitzer Valentin De-Michl und seine 68-jährige Wirtschafterin Franziska Lech durch Axthiebe in ihren Betten erschlagen wurden. Der Doppelmörder wurde 4 Monate später im Traunviertel verhaftet.

Das Verbrechen in Rasdorf (Kühberg) geschah am Palmsonntag 1884.

Eintrag im Sterbebuch Kopfing zum Mord am Palmsonntag, 6.4.1884 (Ergänzung im Duplikat)
Eintrag im Sterbebuch Kopfing zum Mord am Palmsonntag, 6.4.1884 (Ergänzung im Duplikat)

Moritat D' Föhratpoint

(Überbringer Johann Schmidbauer, Jahr unbekannt)

 

 

Es war im Jahr

neunzehnhundertzwoa,

wo sich das hat zuatragn

in da Kopfinger Pfoar.

 

Auf das Föhratpoint-Häusl

er fest spekuliert,

dass er's ausraubt und plündert

und 's Weiberl mordiert.

 

Am 6. April

da Palmsunda fallt ein,

da denkt si da Mörder:

Heut muass amal sein.

 

Net weit weg vom Häusl

passt da Mörder guat af,

wann d' Leut gehen in d' Kira,

da kimmt eam neamd draf.

 

Da Mann geht in d' Kira,

des nützt er iatzt aus.

Schreit: "Eichinger Resl,

sei so guat und mach af!"

 

Sie macht eam af voller Freud,

weil s'n eh scho so lang kennt.

Derweil is iatzt diesmal

ihr allerletzts End.

 

Wia s' as Vorhaus san kemma,

fasst er s' hintn beim Gnick

und hat's so fest gschmissn,

dass koan Laut nimma gibt.

 

Mit an scharfn Eisen

hat er s' fürchterli gschlagn

und z'letzt mit'n Taschnfeitl

die Gurgl durchfahrn.

 

Jetzt schaut er af d' Uhr,

wo er Zeit hat dazua,

dass da Raub wird vollendt

bis d' Kiraleut gehnt.

 

Kastn und Truha wird

aufgsprengt vo eam.

80 Guldn hat er gefundn

in da Saublattern drean.

 

Hint beim Türl is er aus.

So fein packt hat er's an,

dass net glei wer kennt,

wer die Mordtat hat tan.

 

Jiatzt ha ma koan Mörder,

woaß koa Mensch nix davon.

Reden alle in Kopfing

hat's da Hausbauer toan.

 

Der is Vater von 7 Kinder,

geht eam allwei recht sper.

Hat koa Muatta zu de Kinder,

drum: Schuldig ist er!

 

Muass die Kinder verlassn,

so lautet da Befehl.

Muass dreißig Tag sitzn

drin in Engelhartszell.

 

Gott hört seine Bitt'n,

die Zeit is jetzt aus.

Derweil kommt der Mörder

mit 'm Silbergeld auf.

 

An Püxmandl - Schleifer

die Gschicht scho auffallt,

das der Kerschberger d' Zech

mit Guldenstückl zahlt.

 

Bei der Gendarmerie

zeigt da Pum Xandl an,

jiatzt hams an Mörder,

da Kerschberger hat's tan.

 

Vo da Arbeit ham s'n weg

aufi af Riad,

an Strick um an Hals,

als Mörder traktiert.

 

Da Kaiser hat'n begnadigt,

gibt eam 20 Joar,

und is die Zeit uma,

wird's a mit ihm gar.  

 

 

ANMERKUNGEN des unbekannten Verfassers:

 

Kerschberger wurde nach 15 Jahren begnadigt, war jedoch nach seiner Entlassung in der Umgebung gefürchtet und verfemt. 

Seine 2 Kinder nahmen die Kramer Nanni und  Mesner Karl an.

Die Rosl heiratete den Kornfelder Hiasl, sie lebt noch und wohnt im Peßler-Schloss in Riedau.

Kopfinger Moritat

(Gesungen von Katharina Parzer vom Burmanngut in Diersbach - wortwörtlich niedergeschrieben von Franziska Körner im Jahr 1932)

 

 

Ih han ma(r) schaon mein Lebta(g) vül hundert Tánz 'dich't,

aber net gleih amal so a Raubmördergschicht.

 

Vül Leut wer(d)n's net wissn - was i bring, das ist wahr -,

a Raubmord hat sih zuatragn in der Kopfinger Pfarr.

 

Der Kerschbaumer Johann is als Mörder bescchriebn;

weil eahm 's Geld allweil zweng wird, drum hat der das triebm.

 

Aufs Gföhra-Pointhäusl hat er lang spekuliert,

wia er's ausraubt udn plündert und s'Wei(b') massakriert.

 

An sechstn April fallt der Palmsunnda ein,

da denkt sih der Mörder: Heut muaß's amal sein!

 

Net weit wegga van Häusl paßt der Mörder schaon auf:

Wann der Mann geht in d'Kira, aft kimmst ma(r) net aus!

 

Wia der Mann geht in d'Kira, geht er zuwi zan Haus

und schreit: "Eichinger Rosl, sei so guat, mach ma(r) auf!"

 

Sie hat koan Gedanga, weil s'n lang so guat kennt,

macht eahm auf voller Freud - und das is sein letztes End!

 

Wia s' ins Vaorhaus san kemma, packt er s' hint ban Genick,

und so fest hat er s' gworfn, daß koan Laut nimmer gibt,

 

Mit an schwárn Instrument hat er s' fürchterlih schlagen

und aft mit an Messer de Gurgl durchfahrn,

 

Aft schaut er auf d'Uhr, ob er Zeit hat dazua,

daß der Raubmord vollendt, eh de Kiraleut gehnd.

 

Alle Kastn und Türn bricht der Raubörder ein,

da derwischt er achtg Guldn in der Scheinbladern drein.

 

Er is hint ban Taor aus - und so fein packt er's an,

daß koa Mensch net leicht drafkimmt, wer d' Mordtat hat tan.

 

Iatzt habm ma(r) koan Mörder, woaß koa Mensch nix davaon,

redn vüle Leut z'Kopfing: "Hat's der Hausblaur tan."

 

Is a Vater va siebm Kin(d)er, geht eahm allweil hübsch sper,

hat koa Muatter zan Kin(d)ern, drum beschuldigt ma eahm.

 

Er muaß d'Kin(d)er verlassn, so laut't der Befehl;

dreißg Tag is er gsessn drin in Englhartszell.

 

Er bitt't oft unsern Herrgott zwegn der Kin(d)er dahoam,

daß sein U(n)schuldigkeit bald an d'Tagliachtn kaam.

 

Gott erhört ah sein Bittn; wia de dreißg Tag san aus,

kimmt der Mörder per Zuafall durhis Silbergeld auf.

 

Der Xandl Pum - Schleifer, den des Ding schaon auffallt,

daß der Kerschberger d'Bierzech mit an Frauntaler zahlt.

 

Ba der Gendarmerie zoagt's der Pum Xandl an:

Solln an Kerschberger suacha, hat's sunst eh koaner tan.

 

Va da Arácht habm s'n wegga, aft kimmt er af Riad.

"An strick um an Hals!" habm eahm d'Richter diktiert.

 

Der Kaiser hat'n begnadigt, gibt eahm, glaub ih, zwoanzg Jahr;

wird gwiß ünter dera Zeit eh mit eahm gar.

 

Der ander ist entlassn va den fürchterligm Schmerz

und druckt seine siebm Kin(d)er an sein u(n)schuldigs Herz.

 

Franziska und Luwig Körner (1957)
Franziska und Luwig Körner (1957)

Eine Moritat war eine Schauerballade.

  • Moritatensänger im Wirtshaus oder auf Kirtagen trugen oder sangen Moritaten vor.
  • Der Gesang nach einer einfachen Melodie (meist Gstanzl-Melodie) ließ auch die Verwendung teilweiser unreiner Reime - wie bei Volksliedern - zu. 
  • Und wie bei Volksliedern sind die Dichter unbekannt ... 
  • Der Zweck war die Unterhaltung der Zuhörer wie die Befriedigung der Sensationslust; so wurde der Kern gerne mit erfundenen pikanten Details und bekannten Namen ausgeschmückt.
  • Diese schaurigen Gesänge erzählten von Untaten und schweren Verbrechen
  • Die Herkunft des Begriffs "Moritat" ist nicht ganz klar: das Grundwort könnte "Mor(d)tat" sein, aber auch von lat. "mores" (Sitten > Sittenlied) kann der Begriff stammen.
  • Heute ist die Moritat als Literaturgattung wie als Liedgattung ausgestorben - Bert Brechts Moritat von "Mackie Messer" ist eine der letzten...


Die historischen Grundlagen zum Raubmord in der G'föhratpoint

in Rasdorf 9 (Kühberg)

Viele Berichte auch überregionaler Zeitungen verbreiteten die Nachricht vom Raubmord.
Unten der Bericht in der Tages-Post (9.4.1884).

Der Raubmord: Was geschah.
 Der Mord geschah am Palmsonntag, den 6. April 1884. 

Es war ein Raubmord (84 Gulden und G'selchtes), der über das Innviertel hinaus viel Aufsehen erregte. 


Während der Häusler Josef Aichinger am Palmsonntag die Kirche und das Wirtshaus besuchte, wurde seine Gattin Rosina (75) im Gföhratpoint-Häusl ermordert.

Auch von der Verurteilung des Täters gibt es viele Zeitungsberichte.

Unten jener des Linzer Volksblattes (28.5.1884).

Die Festnahme Kerschbergers (37)

erfolgte aufgrund seines verschwenderischen Lebensstils und der Rückzahlugn von Schulen, obwohl er ständig an Geldmangel litt.

 

Die Untersuchungshaft 

brachte die Umstände des Mordes ans Licht: Kerschberger, der am 14. Mai verhaftet worden war, war als Taglöhner und Trinker bekannt ...

 

Die Gerichtsverhandlung

fand nicht einmal zwei Wochen nach der Verhaftung am 26. Mai statt: Kerschberger wurde zum Tode durch den Strang verurteilt, er keinerlei Gemütsregung.

 

Die Begnadigung

Der Kaiser begnadigte Kerschberger aufgrund seines vollen Geständnisses noch im Juni zu einer 20-jährigen schweren Kerkerhaft.

Auch vom Umfeld der Mordtat wurde überregional berichtet. (Unten: Tages-Post, 24.5.1884).

Vor Kerschbergers Festnahme waren Unschuldige verhaftet worden; der Hanslbauer in Kühberg erhielt für 6 Wochen Haft 25 Gulden Entschädigung. 


Der Taglöhner Kerschberger war früher Inwohner in der Leithener Weiretmühle und lebte in den Wochen vor der Tat im Schiblerholz, ganz in der Nähe des Tatortes. 

Auch seine Frau wurde wegen Mitwisserschaft angezeigt, die beiden Kinder kamen wie in der Moritat beschrieben zu Pflegeeltern nach Kopfing.