Josef Ruhland | 10/2019 UPDATE 6.4.2021
Einige beispielhafte Zeitungsmeldungen (1869-1927) scheinen das zu belegen, vgl. auch unten:
Es gab im Innviertel - besonders aber in Kopfing - viele Burschen, deren Fäuste schnell flogen und deren grifffeste Messer ziemlich locker saßen.
"Unterhaltungsangebote" boten einst vor allem Wirtshäuser, - Abwechslung in den arbeitsreichen Alltag brachten Kirtage und Hochzeiten - sie zogen auch Besucher aus umliegenden Gemeinden an. Darunter waren oft auch "fremde" Zechen, die auf Unterhaltung in Form von Raufhändeln aus waren.
Raufexzess mit Totschlag in Kopfing (19.8.1869, Linzer Volksblatt)
... bei einer Hochzeitsrauferei fünf Bauernburschen tödlich verletzt (4.11.1922, Tages-Post)
... Blutbad in Kopfing (16.10.1923, Salzburger Volksblatt)
Zechenrauferei beim Kirchweihfeste in Kopfing (21.1.1927, Tages-Post)
Die Tages-Post (20.8.1869) beklagt die zunehmenden Gewalt im Innviertel und bringt dazu ein Beispiel aus Kopfing:
"Im Innkreise scheint das Erschlagen und Erstechen von Personen zur allgemeinen Sitte werden zu wollen ..."
Im Innviertel gab es viele Raufereien und Messerstechereien …
Schon zwei Wochen nach dem Vorfall in der Volksschule beschreibt das Linzer Volksblatt (6.9.1869) "eine ganze Litanei von Raufereien in neuester Zeit" im Innviertel, wo innerhalb von nur 14 Tagen in Kopfing, Taufkirchen, St. Martin, Zell/P., Enzenkirchen und in Esternberg Raufereien mit einem Toten und einigen Verletzten zu beklagen waren. Besonders hingewiesen wird auf brutale Raufwerkzeuge im Sauwald:
"Ein Kirchtag oder eine Hochzeit kann nicht mehr vergehen ohne Rauferei, ... ja sogar Todschlag mit Raub. Könnte denn diesem Übel gar nicht abgeholfen werden. Es wäre hohe Zeit. Könnten denn die Gemeinde-Vorstehungen nicht beauftragt werden, die Burschen von den Polizeiorganen untersuchen zu lassen und ... Raufeisen, lange Messer, eingegossene Zenn oder andere Raufinstrumente ... wegnehmen zu lassen und die Burschen tüchtig abzustrafen.
Oder gilt in unserm Rechtsstaat das Faustrecht? Durch falsche Humanistik sind wir schon weit gekommen, wenn's so fortgeht, wie weit werden wir's noch bringen? ..."
Das Linzer Volksblatt (22.8.1869) und die Gemeindezeitung (22.9.1869) bringen einen wortidenten Artikel mit dem Titel:
"Ein Schüler, der den Oberlehrer schlägt" (Vorfall am 16.8.1869)
Der Bericht in der Gemeindezeitung steht zwischen zwei Artikeln, die Baden bei Wien und Innsbruck betreffen. Die abschließende Suche nach den Ursachen bringt den neu eingeführten Turnunterricht ins Spiel: Macht der die Jugend womöglich noch gewalttätiger?
Neue Warte am Inn (10.10.1903):
Nach dem Bericht über eine Rauferei wird ein Vorfall aus einer Nachbargemeinde Kopfings angeführt:
Mutter und Sohn versetzen einem Lehrer Stockhiebe ...
Die schlimmste Rauferei in Kopfing war 1923 (s. rechts) - unten beispielhaft weitere Berichte über Vorfälle in Kopfing ...
Zeitungsberichte zu Messerstechereien und Raufereien in und um Kopfing (v. l. n. r.):
Eine rabiate Gesellschaft bei der Tanzunterhaltung (Tagespost, 21.2.1900)
Wegen eines Zechenstreites nach dem Kirtag (Linzer Volksblatt, 14.9.1909)
Eine ländliche Schlacht bei der Hochzeitsfeier (Tages-Post, 14.11.1922)
Wüste Messerstecherei nach dem Bremmel-Kirtag (8.5.1915)
Messerstecherei in Kopfing nach dem Bremmel-Kirtag (Tagblatt, 6.5.1926)
Angenehme Hochzeitsgäste bei der Bauernhochzeit in Kenading (Tagblatt, 19.11.1927)
Das mittelalterliche Wort "Zeche" bedeutete eigentlich "Gesellschaft". Vor allem in Innviertel blieben Knechte und Bauernburschen ihrer "Zeche" bis zur Hochzeit (und auch drüber hinaus) treu.
Ein "Zechmeister" (im Bild links ganz rechts) leitete die verschiedenen Aktivitäten: Spiele, Kraft- und Geschicklichkeitsübungen, Tänze (oft nach dem gemeinsamen "Zödl", auf dem Schritte bzw. Tanzfiguren festgelegt waren).
Bei Hochzeiten waren die Zechburschen an ihren "Ansteckungen" und den gleichen Hüten erkennbar. Während der Hochzeitsfeiern und der Kirtage (eigentlich: Kirchtag) kam es oft zu Raufereien: Störte eine andere Zeche den eigenen "Zödltanz" oder wurde ein Zechenmitglied "angestänkert", dann wurde gerauft - dem Brauchtum entsprechend jedoch nur mit dem einfachen "Zenn" (Ochsenziemer, getrocknetes Geschlechtsglied eines Stieres) und vorgefundenem Inventar (von Bierkrügen bis zu ausgerissenen Tischhaxen). Kein anständiger Raufer ("Brauchtumsraufer") verwendete Schlagringe, Messer oder auch die mit Eisenteilen oder Rasierklingen "vestärkten" Ochsenziemer.
Vor Gericht wurden den Brauchtumsraufern Milderungsgründe zugesprochen - es gab bis in die 1920er-Jahre meist milde Urteile. Nachdem aber auch Schmerzensgeld- und andere Entschädigungszahlungen in den Urteilen verlangt wurden, ging die Zahl der Raufereien schnell zurück. Diese Geldstrafen trieben Bauernhöfe manchmal in den wirtschaftlichen Ruin ...
Die im Innviertel beheimateten Zechen waren zwar rauflustige Gruppen, - sie hatten aber auch eine soziale Seite (Hilfseinsätze bei Unglücken, Erntehilfe) und sie bewahrten altes Brauchtum (Maibaumstehlen, Störnächte, Fensterln, ...).
Die Bilder unten zeigen von links die Kopfinger Gesellschaften: Götzendorf (1923), Paulsdorf (1928), Beharding (1955) und mit Bgm. Mathias Ertl (1977) 3 Generationen Zechmeister: Jobst, Schatzberger, Strasser.